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Josef, der soziale Vater Jesu



Gemessen am guten Dutzend von Marienfesten, sind für den Vater Jesu im kirchlichen Kalender nur zwei Termine vorgesehen: der 19. März und (erst seit 1955, und wenig angenommen) der 1. Mai (Josef, der Arbeiter). Aber was heißt hier „Vater Jesu“? Der biologische Vater ist er nach dem Matthäus-Evangelium (1, 18-25) nicht, wohl aber der rechtliche Vater; denn er gibt dem Sohn Marias den Namen Jesus. Die christliche Tradition hat ihn deshalb Nähr- und Ziehvater genannt. Ist das nicht bloß eine Nebenrolle?


Als Mann fürsorglich sein zu Kindern, die man nicht gezeugt hat – das nennt die heutige Familiensoziologie soziale Vaterschaft. Auch die Scheidungsgerichte rechnen mit dieser Bereitschaft und Fähigkeit. Ein guter Vater ist, wer die Fähigkeiten der ihm anvertrauten Kinder fördert – indem er sie anerkennt und nicht ewig zeigen muss, dass er immer noch der Größere ist. Diese Orientierung an den Bedürfnissen und Wünschen der anderen ist, über den Kreis der Familie hinaus, auch in der Gesellschaft enorm wichtig.

Der Namenspatron des Josef von Nazareth war ja Josef von Ägypten; dieser traf Vorsorge für die zu erwartende Hungersnot und verteilte dann die Vorräte gerecht. Als Gerechter wird unser Josef im Evangelium von Matthäus bezeichnet, weil er sich nicht von seiner schwangeren Verlobten trennte – das hätte damals zu ihrer Steinigung führen können. Wir würden das heute fair nennen. Josef war aber auch fähig, Dinge zu akzeptieren, die er nicht verstand, die aber offensichtlich wichtig und real waren für seine Verlobte. Denn er glaubte ihr die Geschichte vom heiligen Geist, auch belehrt durch eigene Träume.


Josef nahm aber nicht nur hin, er war auch nicht nur fair und den Engeln gehorsam. Schon bald musste er aktiv werden und mit einer Hochschwangeren die beschwerliche Reise nach Bethlehem antreten. Dann kam das nervige und demütigende Suchen nach einer guten Unterkunft und dann, was es für eine Stall-Geburt zu organisieren gab. Später besaß Josef „kreativen Mut“, als er sich entschloss, mit Maria und dem Neugeborenen vor Herodes nach Ägypten zu fliehen. In einem Land, dessen Sprache er nicht verstand, als Fremder Arbeit zu suchen, sich gegen die heimischen Konkurrenten zu behaupten, eine geeignete Unterkunft zu finden – Josef meisterte das alles als Haupt einer Migrantenfamilie.

Er plante umsichtig und war verlässlich. Nach der Rückkehr ins heimische Nazareth war er dann auch der Ausbilder von Jesus. Bis zur Bar-Mizwa mit etwa zwölf Jahren ist in der jüdischen Kultur die Mutter für die Erziehung zuständig. Aber danach kommt für einen Jungen der Vater ins Spiel. Er hat ihn ins öffentliche Leben einzuführen, mit ihm in die Synagoge zu gehen, in die Männerreihen.

Und Jesus erlernte – wie in einer vorindustriellen Gesellschaft üblich – das Handwerk seines Vaters, war Azubi bei ihm als seinem Meister. Dass Jesus später Gott als seinen eigentlichen Lehrer und Vater bezeichnete, liegt auf einer anderen, der spirituellen Ebene. Die Vertrautheit mit einem liebenden Vater (Abba) übertrug er dann auf Gott. Die guten Erfahrungen mit seinem Vater Josef bildeten dafür die psychologische Grundlage – auch wenn das Gottesbild Jesu durch seine wesenhafte Verbundenheit mit Gott erweitert wurde. Josef, der Ziehvater – also doch keine Nebenrolle, kein Defizit an Vaterschaft!

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